Addresses of the Chairman
of the Czech Handel Society


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Pavel Polka, Vorsitzender der Tschechischen Händel-Gesellschaft, Prag:

Ansprache an die Mitgliederversammlung der internationalen
Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft
in Halle an der Saale am 9. Juni 2001

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Händel-Freunde,

erlauben Sie mir, daß ich Ihnen recht herzliche Grüße der tschechischen Händelianer überbringe! Zugleich bedanke ich mich im Namen des Vorstandes der Tschechischen Händel-Gesellschaft für Ihre freundliche Einladung zu den diesjährigen halleschen Händel-Festspielen.

Am Eingang in den Saal haben Sie eine tschechisch- und englischsprachige Einladung zu der neuzeitlichen Weltpremiere der Oper "L'Amor Generoso" ("Die edelmütige Liebe") von Alessandro Scarlatti erhalten. In der Produktion der Tschechischen Händel-Gesellschaft hat dieses ausgereifte Meisterwerk, nach einem Libretto von Giuseppe Papis, das junge Barockensemble Cappella Accademica Prag einstudiert, und zwar im Rahmen unseres langfristigen gemeinsamen Projektes "Meisterwerke der Barockoper - Georg Friedrich Händel und seine Zeitgenossen". Es handelt sich schon um den zehnten Titel des Projektes. Neben fünf Opern Händels ("Rodrigo", "Lucio Cornelio Silla", "Il Pastor fido"/erste Fassung, "Imeneo" und "Flavio, Re de' Longobardi") haben wir Purcells "Dido and Aeneas" und Vivaldis Oper "Orlando finto pazzo" sowie, meistens in szenischer Einstudierung, die Oratorien "Il Sacrifitio d'Abramo" von Pietro Paolo Bencini und "La Giuditta" von Benedetto Marcello vorgestellt.

Es ist daher nicht verwunderlich, daß die bereits genannte Reihe von barocken Opern und Oratorien das bedeutendste Vorhaben auf dem Gebiet Alter Musik in der Tschechischen Musik darstellt. So ein technisch und vor allem finanziell anspruchsvolles Unternehmen erfreut sich aber in unserem Land, es sei betont, leider gar keiner offiziellen Förderung... Mit der Vivaldi-Oper, "Orlando finto pazzo" ("Der vorgetäuschte Wahnsinn"), trat das Ensemble im September vorigen Jahres bei den renommierten "Feste Musicali per San Rocco" in Venedig auf. Auch bei dieser Produktion ging es um eine neuzeitliche Weltpremiere, sogar um die letzte aller erhaltenen Opern des berühmten rothaarigen Venezianers, die in der modernen Zeit noch nicht gespielt worden waren.

Wie schon gesagt, haben wir auch im Falle unserer Produktion des Dramma per Musica "L'Amor Generoso" von Alessandro Scarlatti mit einer neuzeitlichen Weltpremiere zu tun. Das Werk wurde am 1. Oktober 1714 im Palazzo Reale in Neapel zu Ehren des Geburtstages Kaisers Karl VI. uraufgeführt und es gibt keine Belege dafür, ob es nach diesem Datum überhaupt noch erklang. Die Musik ist weltweit nur in einer einzigen, in der British Library, London, aufbewahrten zeitgleichen Partiturabschrift erhalten geblieben. Es ist uns mit der Unterstützung des British Council und unserer englischen Freunde gelungen, eine Kopie dieser raren Abschrift für unsere Produktion zu erwerben. Auf der Suche nach den Partituren von noch nicht gespielten Opern Alessandro Scarlattis bereisten wir Anfang Dezember vorigen Jahres einen Teil Englands - und in London wurden wir findig...

Ich lade Sie also recht herzlich zu unserer barockgetreuen szenischen Produktion der Scarlatti-Oper "L'Amor Generoso" ein. Die Vorstellungen finden in dem historischen Theater des Waldsteinschen Schlosses zu Münchengrätz (Mnichovo Hradiště) am 7., 8. und 9. September dieses Jahres statt. Die Hauptsponsorin der Produktion ist unser Mitglied, Frau Henriette von Haugwitz-Beerberg, eine in der Schweiz lebende Enkelin des verdienten halleschen Theaterdirektors Max Richards, die man vielmehr als die Cembalistin mit dem Namen Henriette Barbe kennt; ohne ihre höchst großzügige Unterstützung wäre die Einstudierung gar nicht zustande gekommen!

Und um die überzeugtesten Händel-Verehrer unter Ihnen zu beruhigen: für das Jahr 2002 planen wir im Rahmen unseres Barockopernprojektes wieder eine, schon sechste Oper von Georg Friedrich Händel. Der heißeste Kandidat ist momentan "Sosarme, Re di Media", ein selten zu Gehör kommendes Stück mit viel bezaubernder Musik.

Zum Abschluß erlauben Sie mir bitte eine Wiederholung meines vorjährigen Appells:
Es befinden sich unter Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, zweifellos auch manche Hallenser, die sich mit der Geschichte der Geburtsstadt Händels beschäftigen. Und in die Stadtgeschichte gehört natürlich auch die Frage der Vorfahren des verehrten Komponisten. Während die Ahnenlinie väterlicherseits schon detailliert ermittelt worden ist, herrscht bei der mütterlichen Linie noch ein erheblicher Mangel an Erkenntnissen, wobei am wenigsten das priesterliche Taustsche Geschlecht erschlossen ist. In der am 2. Januar 1731 gehaltenen Grabrede ("Leichen-Sermon") auf Händels Mutter, Dorothea Taust, von Johann Georg Francke lesen wir: "Der Herr Groß-Vater von väterlicher Seite war Herr Johann Taust, welcher bei den damahligen Religions-Troubeln und harten Verfolgung der Augspurgischen Confessions-Verwandten der reinen Evangelischen Wahrheit zur Liebe aus dem Königreich Böhmen entwichen, alle seine Güter nach der Vorschrift Christi Matth. 19,29 freywillig verlassen und lieber als ein privatus allhier zu Halle als in seinem Vaterlande in gutem Ansehen und grossem Vermögen leben wollen..." - Der betreffende Herr Johann Taust war Händels Urgroßvater, Vater von Händels Großvater, dem Giebichensteiner Pastor Georg Taust. Von Johann Taust wissen wir nur, daß er aus dem Königreich Böhmen stammte; sonst fehlen jegliche belegbare Spuren von seiner Herkunft und Familienverhältnissen. Unbekannt bleibt natürlich auch der Ort im Gebiet vom Königreich Böhmen, den Johann Taust, spätestens wohl im Jahre 1606, aus Glaubensgründen verlassen hatte. Um auf diese Fragen etwas Licht werfen zu können, bedarf es noch einer sorgfältigen Durchsuchung der vorhandenen archivalischen Dokumente in und um Halle. Wäre denn jemand von der halleschen Händel- oder Geschichtsforschung imstande, sich dieser verdienstvollen Aufgabe anzunehmen? Eine Entdeckung in dieser Richtung würde nicht nur die spärlichen Anhaltspunkte zur Abstammung Georg Friedrich Händels von mütterlicher Seite ergänzen, sondern auch die zahlreichen tschechischen Händelianer erfreuen!

Und ganz zum Schluß noch eine nützliche Infromation: ab dem 24. Mai dieses Jahres finden Sie die Tschechische Händel-Gesellschaft in tschechischer und englischer Sprache auch im Internet - unter der Adresse "www.haendel.cz".

Sehr geehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.